Nicht nur für viele deutschsprachige Mitglieder unserer Gemeinde, sondern auch vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Zugehörigen anderer deutschsprachiger Institutionen und deren norwegischer Partnern oder Familien, Nachbarn und Freunden ist der Volkstrauertag am Ende des Jahres ein wichtiges Datum. Versöhnung und Verbundenheit, erinnern und mahnen, Verständigung und miteinander verbunden zu sein, sind und bleiben ihnen wichtige Themen. In diesem Jahr stand das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren für viele im Mittelpunkt. Aber auch die Frage, was wir daraus lernen und zukünftigen Generation mit auf den Weg geben können.
Für den 18. November luden der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Alfred Grannas, und unsere Gemeinde gemeinsam zu einem ökumenischen Gottesdienst und anschließenden Gedenkveranstaltungen auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Alfaset und der Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers in Grini ein.
Der Gottesdienst wurde von Prälat Torbjørn Olsen und Prest Cecilie Jørgensen Strømmen mitgestaltet und begleitet. Zum Eingang des Gottesdienstes wurde aus Hermann Hesses Demian gelesen, einem Werk, welches er in den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges schrieb: „Was das ist, ein wirklich lebender Mensch […]? Wären wir nicht noch mehr, als einmaliger Menschen, könnte man jeden von uns wirklich mit einer Flintenkugel ganz und gar aus der Welt schaffen, so hätte es keinen Sinn mehr, Geschichten zu erzählen.“
In der Predigt wurde erinnert al Eli Wiesel, der 1986 in Oslo den Friedensnobelpreis entgegennahm und der später sagte: „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit, das Gegenteil von Leben ist nicht Tod, sondern Gefühllosigkeit. Das Gegenteil von Gleichgültigkeit ist: Erinnerung.“
Nach dem Gottesdienst stand für die langen Wege zu den Gedenkstätten ein Reisebus bereit, den die Deutsche Botschaft zur Verfügung gestellt hat.
Beide Gedenkveranstaltungen wurden begleitet von Mitgliedern des Musikkorps der königlichen Garde, Mitgliedern der Veteranenkompanie Norwegens, dem Verteidigungsattaché der Bundesrepublik Deutschland, den ranghöchsten deutschen Natooffizieren und zahlreichen Gästen. In Alfaset, wo Gefallene aus beiden Weltkriegen begraben sind, verlasen der Botschafter und die Pfarrer das Totengedenken und sprachen ein Gebet.
In Grini, an dem Ort des ehemaligen Konzentrationslagers, von dem aus viele Gefangene in deutsche Lager weiter geschickt und getötet worden sind, las Kristin Norseth aus der Autobiografie ihres Vaters, Helge Norseth, „Gefangen und doch frei“. Helge Norseth war über ein Jahr Gefangener in Grini, bevor er dann nach Sachsenhausen und in andere deutsche Konzentrationslager kam.
Wenige Wochen vor dem Volkstrauertag war Kristin Norseth zusammen mit der 10. Klasse der Deutschen Schule Oslo einen ganzen Vormittag im Museum der Gedenkstätte. Aus den Aufzeichnungen und Erinnerungen ihres Vaters konnte sie den Schülerinnen und Schülern sehr eindrücklich von den damaligen Zuständen im Lager und den Umständen der deutschen Besatzung Norwegens erzählen. Nach all den Jahren, in denen Kristin Norseth nun selbst eine promovierte Historikerin und Hochschuldozentin wurde, war es auch ihr erster Besuch im Museum und der Gedenkstätte. Zusammen mit fünf Schülerinnen las sie am Volkstrauertag aus den Erinnerungen ihres Vaters vor. Keine Rede hätte an diesem Tag eindrücklicher für die Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung sein können.
Den Abschluss des Tages bildete ein Empfang, zu dem der Botschafter in die Residenz einlud, bei dem absichtlich keine Reden gehalten wurden, sondern wo explizit Gelegenheit gegeben sein sollte, dass alle Beteiligten und Gäste der Gedenkveranstaltungen miteinander ins Gespräch und somit zu Verständigung kommen.
Allen Mitwirkenden, dem Botschafter und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Botschaft, allen anderen, die zum Volkstrauertag eingeladen und daran teilgenommen haben, sei noch einmal ganz herzlich gedankt. Ganz im Sinne aller drei Autoren, die an diesem Tag zur Sprache kamen, haben Sie alle dazu beigetragen dass wir uns gemeinsam „an den Erfahrungen von gestern und vorgestern den Blick für heute und morgen schärfen zu lassen konnten“.
Die Bilder sind freundlicherweise von der Deutschen Botschaft Oslo zur Verfügung gestellt worden.