Dezember 1997. Ich kam am frühen Nachmittag in Oslo S an. Kalt, Nieselregen. Ein schöner, großer Regenschirm war mir im Zug von Stockholm her geklaut worden, was mich sehr ärgerte. Ich hatte aber auch meine armen Mitreisenden geärgert, denn ich hatte zwei Riesenkoffer, an die zwei kleine Koffer mit Riemen gebunden waren und einen Rucksack, unter dem ein anderer Rucksack hing und einen Bauchsack. Das war mein Umzugsgut von Stockholm, wo ich acht gute Jahre gelebt hatte und von wo ich sehr ungern wegzog…
Als ich dann mit diesen gut 50 kg Gepäck langsam den Bahnsteig mich entlang kämpfte, als die anderen Reisenden schon lange den Weg zur Halle zurückgelegt hatten, da kamen ein junger Mann und eine junge Frau auf mich zu. Die junge Dame sah sehr gut aus, daran erinnere ich mich noch. Aber nicht sie sprach mich an, sondern der sehr höfliche junge Herr. Er war vom Zoll und wollte wissen, was ich da alles mit mir herumschleppte. Ich erklärte ihm dann, daß ich kein Auto fahren könnte, nur Zweirädriges, und deshalb mit der Eisenbahn umzöge. Auch hatte ich mein Fahrrad noch „polletiert“, das konnte man ja damals noch machen. Die beiden ließen es dann bei einem sehr kurzen Blick in den Rucksack bewenden und vergaßen dann wohl mitmenschlicherweise, daß sie Zollbeamte waren, und halfen mir, die ganze Baggage zum Taxi zu schleppen, das mich in die Gemeinde fuhr. Das war ja ein sehr (!) netter Willkommensgruß… In der Gemeinde wurde ich von einer sehr (!) munteren Kinderschar empfangen, der Kinderschule, die damals noch unten im Souterrain einquartiert war. Heiner Mausehund war ganz in seinem Element, als er Britta Bracher half, Ordnung in das Kinder–Chaos zu bringen, in das ich dann auch noch einbrach, wenn auch nicht unangekündigt, denn ich hatte mich bei einer sehr freundlichen Frau Rasmussen telephonisch angemeldet. Ein kleines Mädchen wollte wissen, wie ich heiße. „Johannes!“ sagte ich. Weitere Frage: „Kann man so heißen?“
Ich hatte keine Wohnung… „Kein Problem, Du kannst für 50,-kr pro Nacht auf einer Matratze im Gemeindesaal schlafen.“ Das machte ich dann drei Wochen lang, bis ich einen Hybel bei Munkelia gefunden hatte. Die ganze Baggage und das Fahrrad waren im Heizungskeller eingelagert, wo ein Riesenölbrenner stand, die Maschinenplakette behauptete, er sei von 1964, wenn ich mich recht erinnere. Jedenfalls sah das Ding danach aus, daß es jederzeit explodieren könnte. Es hielt aber noch viele Jahre. Abends legte ich die Matratze auf einen Tisch, machte eines der Fenster auf, roch die damals noch immer, besonders bei Nebel, etwas rauchig–verbrannte Osloluft, hörte den Typhon vom Hafen.
Unser Abendgebet steige auf zu Dir, Herr, und es senke sich herab auf uns Dein Erbarmen. Dein ist der Tag, Dein ist die Nacht. Laß, wenn des Tages Schein vergeht, das Licht Deiner Wahrheit uns leuchten. Geleite uns zur Ruhe der Nacht und vollende Dein Werk an uns in Ewigkeit. Erhalte unser Herz bei dem Einen, daß wir Deinen Namen fürchten.
Ich habe sehr gut geschlafen in diesem Gemeindesaal!
