Mal abwarten, was das neue Jahr so bringt!?
Es ist schon eine ganze Weile her, als ich in einem Wartezimmer eine Illustrierte las. In einem Artikel stand etwas über Rache. Nanu?
In dem Artikel wurden tatsächlich Tipps gegeben, wie man sich am effektivsten und effektvollsten rächen kann. Rache, so vermittelte es der Artikel, ist in der heutigen Zeit ein sehr wichtiges und wirkungsvolles und darum empfehlenswertes Gegenmittel bei Verletzungen durch andere. Gerade in der heutigen Leistungsgesellschaft, in der immer härter und schneller werdenden Stress– und Mobbingkultur und der quasi unbegrenzten Macht sozialer Medien, die jedem Einzelnen ungebremst zur Verfügung stehen. Unsere Gesellschaft und Zeit, so der Artikel, macht es notwendig und sinnvoll, über Abwehrstrategien nicht nur nachzudenken, sondern sie auch zum eigenen Schutz einzusetzen. Rache ist eine Strategie davon.
Die Gedanken des Verfassers haben mich geärgert. So kann man doch keine Konflikte lösen! Rache ist nicht mein Weg! (Auch nicht gegen ärgerliche Zeitschriftenartikel.) Aber es stimmt: Rache ist schon eine sehr alte Methode, um mit geschehenem Unrecht umzugehen. In den ersten jemals verschrifteten Rechtsordnungen (z.B. dem codex hammurabi) nehmen Rache und Vergeltung den überwiegenden Raum ein. Und wem ist nicht auch der alttestamentliche Satz „Auge um Auge, Zahn um Zahn,“ bekannt?
Seitdem hat die Geschichte aber deutlich gezeigt, dass Rache oder Gewalt immer wieder nur neue Rache und Gewalt hervorbringen können. Im Neuen Testament können wir immer wieder nachlesen, dass Jesus diesen Kreislauf durchbrochen und die Menschen aufgefordert hat, so wie er, auf Gewalt und Rache zu verzichten. Martin Luther King, der am 15. Januar seinen 90. Geburtstag feiern würde, sagte:
„Das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn hinterlässt auf beiden Seiten nur Blinde und Zahnlose.“
Sein Weg war es, sich mit friedlichen Mitteln gegen Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Unterdrückung zur Wehr zu setzen. So hatte er Jesus verstanden, der statt zu Gewalt zu mehr Liebe unter den Menschen aufrief. Mit seinem gewaltlosen Widerstand in den sechziger Jahren hat King gezeigt, dass der Weg Jesu ein Weg ist, der nicht in Wiederholungen sondern zu wahren Veränderungen führt. Vieles ist erreicht worden für die schwarzen Bürger Amerikas — und seitdem für viele andere Ausgegrenzte. Dass es einmal einen schwarzen Präsidenten in den USA geben würde, davon konnte Martin Luther King nur träumen.
Warum brauchen Menschen Rache? Warum setzen sie Fantasie, Energie und Leidenschaft dafür ein, anderen zu schaden? Ich habe auf diese Frage keine sinnvolle Antwort.
Für das Jahr 2019 haben wir eine Jahreslosung, die auch nicht als Antwort taugt aber als Alternative:
„Suche Frieden und jage ihm nach!“
Psalm 34,15
Ich glaube, dass uns diese Losung nicht zu Rache auffordern will und auch nicht zum „Mal abwarten, was kommt“, sondern zum Losjagen, Losrennen und losspringen dahin, wo Frieden ist und sein soll.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns ein friedvolles neues Jahr 2019.
Ihr Pfarrer Sebastian Wilhelm.